Bald keine Haustiere mehr

By Brita No comments

von Brita Hempel

Obsti, die kleine Fruchtfliege, und Trübi, die kleine Trauermücke, haben es in meinem Haushalt nicht leicht. Während Obsti ihre Eier auf Biomüll ablegt, den ich rasch abräume und draußen in der Tonne versenke, wo er derzeit gefriert, und sich deshalb ihre Vision eines lustig aufschwebenden Schwarms munterer Trosophilae Melanogastres in meiner Küche nicht erfüllt, ist Trübi noch als Larve knapp einem Anschlag mit Neem im Gießwasser des Zitruspflänzchens, an dessen Wurzeln knabbernd sie sich nährte, entgangen und eher zufällig nach dem ersten Auffliegen, heraus aus der Blumenerde, hinaus aus dem Bodendasein, hinein ins Leben des erwachsenen Insekts, nicht auf der leimbestrichenen Gelbtafel im Topf gelandet, auf der die Leichen festgeklebter Artgenossen und Artgenossinnen haften.

Das ist in gewisser Weise unfair gegenüber Obsti, könnte sie sich doch sonst gemeinsam mit Ihresgleichen im seltsam punktförmig-taumelnd wuseligen Flug von praktisch jeder Art irgendwie ansatzweise fruchtigem organischen Material erheben – sie ist wirklich nicht wählerisch, wenn kein Obst oder Gemüse zugänglich ist, besiedelt sie auch eintrockenende benutze Teebeutel oder Kaffeesatz. Neulich traf ich sie auf dem Badezimmerspiegel sitzend an, in meinem Innenbad, und fragte mich – sie konnte ich ja nicht fragen, uns steht kein funktionierender gemeinsamer Kommunikationskanal zur Verfügung –, ob sie sogar Seife verzehrt, was ich mir nicht recht vorzustellen vermochte, und durchsuchte dann mein Badezimmer, erfreulicherweise ohne Ergebnis, auf versehentlich eingetragenen Kompost oder anderes sich zersetzende organische Material.

Auch Trübi könnte mit Ihresgleichen im charakteristisch flirrenden Trauerflückenflug aufschweben, wenn ich befallene Topfpflanzen gieße. Da aber mein Herz in diesem Fall für die Flora, nicht für die Fauna in Form an deren Wurzeln nagender Insektenlarven, schlägt, versuche ich das zu unterbinden. Sparsames Gießen, um die Topferdenoberfläche möglichst trocken und trauermückenfeindlich zu halten, Streichholzköpfe in der Blumenerde, ausgebrachtes Kaffeepulver (trocken natürlich) oder Zimt brachten keinen durchschlagenden Bekämpfungserfolg. Zumindest wirkten die Pflänzchen davon mindestens ebenso genervt wie die Fliegen. Die Gelbtafeln dienten primär der Dokumentation des Befalls und scheinen die Selektion in den rasch aufeinander folgenden Trauenmückengenerationen dahingehend zu beeinflussen, dass sich solche Tierchen weitervermehren, die eben nicht auf dem Leim Platz nehmen. Ich meine sogar beobachtet zu haben, dass sich dermaßen kleine und leichte Verwandte von Trübi zeigten, dass sie selbst beim Aufsitzen auf den Tafeln nicht kleben blieben. Mit Neem im Gießwasser lässt sich aber ein erkennbarer Erfolg in der zahlenmäßigen Reduktion der flugfähigen Kerbtierchen beobachten.

Ein bisschen blöd sind meine Bekämpfungsmaßnahmen für mein verbliebenes Hautier, Maria Magdalena, die Kreuzspinne. Ihre kurzfristig zugezogene, große schwarzhaarige transsylvanische Verwandte, die Nosferatu-Spinne Ruvana von Schlotterstein, warf ich sofort wieder mit Glas und Postkarte aus der Wohnung (d.h. vom Balkon – was zwar angeblich nichts hilft, weil man Nosferatu-Spinnen auf eine Distanz von 300 m von dem Ort, an dem man sie nicht haben will, verbringen soll, um sie an der Rückkehr zu hindern – aber vielleicht wohnt sie jetzt nebenan oder ein Stockwerk unter mir?), denn ich fürchte den Biss dieser imponierenden Spezies. Doch Maria Magdalena stehe ich grundsätzlich wohlwollend gegenüber, verzehrt sie doch den Frühling, Herbst und Sommer über Tiere, die es ihrerseits nicht nur auf meinen Biomüll oder meine Topfpflanzenwürzelchen, sondern auf mein eigenes Blut abgesehen haben.

Wenn allerdings neben Pieksi, der Stechmücke, und ihren frechen, penetrant sirrenden Kumpaninnen, auch keine anderen Mücken in der Wohnung zur Verfügung stehen, kann es gut sein, dass Maria Magdalena still und hungrig in ihrem Eckchen an der Decke eintrocknen muss.

Es ist ein Fressen und Gefressenwerden. So ist das im Leben. Deshalb sollten wir es bewusst wertschätzen, wenn wir vor dem Büffet stehen und nicht unsererseits als fertig zubereitete Häppchen darauf dargeboten werden.