Genderparken
von Sören Comes
Klischees zu bedienen, ganz besonders geschlechterspezifische Klischees, ist besonders in modernen Zeiten schwierig geworden – political correctness und Gutmenschentum – da werde ich nervös und auch misstrauisch. Manchmal aber, manchmal, da passt es wie die Faust auf´s Auge, da trifft das Leben voll in´s Fettnäpfchen, da steht man dann und kann nicht anders, als den Lauf der modernen Welt zu schauen.
Ich fahre in die Tiefgarage unter dem Hauptbahnhof Freiburg um meine Süße abzuholen. Eben will ich den kantigen Wagen schwedischer Provenienz in eine Parklücke quetschen. Gegenüber an der Wand jede Menge freie Parkplätze, auf die ich kurz einen begehrlichen Blick werfe, aber das Parkparadies ist mir verwehrt: Frauenparkplätze. Ohne Frage, eine gute und sinnvolle Einrichtung.
Mit dem offensichtlichen Stigma des Mannseins gebrandmarkt ist mir der Zugang nicht erlaubt und ich will mir nicht ausmalen, was geschähe wenn ich als Mann den Genderaffront beginge und dabei erwischt werde wie ich dort den Wagen sauber und exakt zwischen zwei Markierungen zum Zwecke des Parkierens eingestellt hätte. Standgericht, des Affronts schuldig gesprochen – Lynchmob.
Vielleicht würde es die Umstände mildern, weil mein Absicht lauter war, weil ich meine Frau abholen wollte. Für eine weibliche Seite in mir, oder besser an mir bin einfach zu behaart, dabei habe ich mir schon drei bis viermal in meinem Leben die Beine rasiert.
Eindeutig zu männlich um irgendwie noch als Frau durch zugehen. Nicht mal als behaarte Dame aus dem Kuriositätenkabinett.
Transgender geht auch nicht, dann müsste ich ja dem gewählten Geschlecht gemäß parken. Das ist nicht wie mit zwei Staatsbürgerschaften, dass man mal so mal so… neneee.
Also weiter den Schweden in die Parklücke bugsieren. Wie ich gerade so am Zirkeln bin, dabei innerlich die Mitparker verfluche, die ich auf Grund der platzverschwenderischen Dickkisten die dort mehr Raum als angemessen einnehmen, als meist männlich eintüte – Klischees gehen ja in alle Richtungen – und überlege ob ich nicht doch eine in einem Männerkörper gefangene Lesbe bin um einen der Frauenparkplätze kurzeitparklich zu besiedeln, und damit ein echtes Argument vorzubringen hätte, im Falle einer Inquisition durch Gemeindevollzugskräfte, fährt ein kleiner Renault Clio von hinten heran um offensichtlich einen der FPP anzusteuern; die sind alle frei. Und klar, die darf ja, ist ja eine junge Frau – nebst Mitfahrer und Innen.
Die innere Lesbe ist schnell vergessen und als Gentleman fahre ich noch einen Platz weiter vor, um der Jungparkerin Raum zu geben (der kantige Schwede ist schnell in der nächsten Bucht verstaut), der Situation gewahr, dass die junge Frau nicht den ersten oder zweiten freien Platz zu nehmen gedenkt, sondern einen weiteren Platz in einer ganzen Reihe leerer Parkbuchten ansteuert. Was auch immer anderen anderen leeren Plätzen falsch war will sich mir nicht erschließen.
Zuviel Auswahl, einer schöner als der andere – ich weiss es nicht. Zunächst irritiert dann schmunzelnd und innerlich wie ungläubig den Kopf schüttelnd sehe ich ihr wie gebannt beim Parken zu, oder vielmehr bei dem Versuch das doch kleine und übersichtliche Vehikel, der Größenordnung Schlaglochsuchgerät, einigermaßen gerade auf einen der leeren Parkplätze zu verräumen. Weder konnte ich meine Augen abwenden, noch ihnen trauen. Nach einigem Hin und Her, Vor und Zurück – ich habe nicht mitgezählt – scheint sie zufrieden mit Ihren Bemühungen, den Wagen in einem beinahe anmutigen, ja fast schon kecken Winkel zu positionieren. Vielleicht hat sie auch einfach nur aufgegeben, oder einer der Mitfahrer war Inneneinrichter und lotste sie mit ´weiter nach rechts`, `weiter nach links` um dann dem Elend ein Ende zu machen: So ist gut, lass´stehen!
Vielleicht auch Waldorfführerschein, wenn es so was gibt, ich parke meinen Namen, die können angeblich nicht so recht mit rechten Winkeln. Und rechtwinklig ist der Kleinwagen nicht geparkt, eher salopp. Die Bande verlässt den Tatort. Und bevor ich mir weitere Teile dazu denken kann, kommt eine ältere mittlere Mercedes Limo herangebraust. Ich denke an Woody Allen wie er in dem Film „Annie Hall“ als Beifahrer zu Diane Keaton sagt: „Gnädigste, ich glaube Sie fahren eine Terz zu geschwind.“
Für ein Parkhaus würde ich das Tempo als tollkühn bezeichnen. Es werden ebenfalls die Frauenparkplätze angesteuert. Das Schiff ist zu schnell, der Anker zu spät geworfen. Knirsch! Die Wand krönt den forschen Bremsvorgang. Der Wagen steht in einer Art wie man sie nur als flott bezeichnen würde. Mit Verve eingeparkt, sozusagen, mit Schwung, mit einem je ne sais quoi. Schräg, mit persönlicher Note. Vor allem aber mit Nachdruck.
Der Nachdruck führte wohl dazu, dass die Dame, denn um eine solche handelte es sich, und nicht wie ich erst dem Fahrzeug und dem Tempo nach einen Mann vermutete, der durch das bloße Vorhandensein leerer Frauenparkplätze zur Opposition gedrängt dort einparken wollte, dass die Dame also, offensichtlich in Eile und sichtlich aufgebracht, aus dem Auto sprang um vorn am Fahrzeug einen möglichen Schaden zu inspizieren. Das Ergebnis schien zufrieden stellend und ab dafür. Respekt, ein Mann wäre noch vor Ort zerbrochen, hätte den Glauben an alles und jeden verloren, alle und alles, nur nicht sich selbst, bezichtig Schuld am Unglück aller Unglücke zu sein, nämlich seinen Stolz verbeult zu haben. Nicht so die parkenden Damen, das ist nur kosmetisch, it´s just a flesh wound.
Ist doch schön, dass es Reservate gibt wo frau sich mal so richtig auszutoben kann. Von soviel Nonchalance kann sich der Mann gerne eine gute Scheibe abschneiden. Es ist schließlich nur Blech.